Das Jahr 2021 begann mit der Fortsetzung des coronabedingten Marathons. Dieser war im März 2020 mit dem ersten Lockdown gestartet, zog sich bis weit ins Jahr 2021 hin und verlangte allen eine besondere Geduld, Ausdauer und Zuversicht ab. Für Kulturinstitutionen war es eine organisatorische Meisterleistung, die gebuchten und auf 2021 verschobenen Aufführungen und Konzerte ein zweites Mal abzusagen und neue Daten zu finden. Umso erfreulicher ist es, dass Kulturinstitutionen und Kulturvereine dank der Unterstützung von Bund, Kantonen und Gemeinden das Jahr finanziell überstehen konnten. Viele Kunstschaffende, die den ersten Lockdown motiviert für eine kreative Phase nutzten, empfanden den zweiten Lockdown frustrierend, anstrengend und bedrückend. In dieser, seit dem zweiten Weltkrieg wohl grössten Krise in der Schweiz, zeigte sich leider auch, dass viele Künstlerinnen und Künstler von der Hand in den Mund leben und daher über keine oder eine sehr limitierte soziale Absicherung und Vorsorge verfügen. Das Aargauer Kuratorium unterstützt seit 2020 für drei Jahre das Projekt «seinodernichtsein», eine Initiative der Schweizerischen Interpretenstiftung. Mit diesem Engagement soll Kunstschaffenden aus dem Bereich der Darstellenden Kunst die Möglichkeit einer praxisnahen Beratung rund um Fragen und Themen der sozialen Sicherheit geboten werden.

Den mit der Covid-Krise verbundenen eingeschränkten Präsentationsmöglichkeiten von Kunst begegnete das Aargauer Kuratorium, indem es eine Förderkonstanz sicherstellte und aktiv auf die sich laufend verändernden Arbeitsbedingungen der Kunstschaffenden einzugehen versuchte. So richtete es zusätzliche Gesuchseingabetermine und Recherchebeiträge als neue Fördermöglichkeit ein. Der Recherchebeitrag mit einmaligen Zuschüssen in der Höhe von CHF 2500 und 5000 erlaubt Kunstschaffenden, theoretische oder künstlerische Fragen zu verfolgen, die eigene Arbeitsweise und Ausrichtung zu reflektieren oder Ideen weiterzuentwickeln. Der Beitrag ist ergebnisoffen und nicht an ein konkretes, innerhalb einer Frist zu erarbeitendes Endprodukt gebunden. Die zusätzlichen Gesuchstermine wurden wenig genutzt, die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung zur Recherche fand hingegen grossen Anklang: 92 Gesuche wurden eingereicht, 31 davon bewilligt. Diese Fördermöglichkeit wird daher auch über das Jahr 2021 hinaus ins reguläre Förderrepertoire des Aargauer Kuratoriums aufgenommen und angeboten.

Der grosse Höhepunkt im Förderjahr 2021 war nach dreijähriger Pause der Kunstpreis 2021. Das Aargauer Kuratorium durfte diesen an Sabian Baumann vergeben. Die Jury würdigte die Breite und Vielfalt von Sabian Baumanns Werk, Sabian Baumann greife in aktuelle gesellschaftliche Debatten ein, lote Grenzen aus und gehe Wagnisse ein. «Sein* Werk öffnet weite Gedankenräume, indem es Normalität als Ausnahmezustand darstellt», schreibt die Jury in ihrem Bericht. «Er* gibt einem tieferen kollektiven Unwohlsein eine Form und erinnert daran, dass soziale Normen und Strukturen verhandelbar sind. Sabian Baumann leistet künstlerische Pionierarbeit in der Schweiz, indem er* mit seinem* Schaffen die Diskussion um Queerness, Diskriminierung und Systemkritik befruchtet und vorantreibt.»

Soziale Normen und Strukturen will das Kuratorium auch im eigenen Gefüge und in der Förderpraxis überdenken. Das Kuratorium widmete sich in seinem Sommerplenum dem Thema Diversität. Ziel ist, die Vielfalt der Gesellschaft aufzuzeigen und Menschen, unabhängig von Geschlecht, Alter, Behinderung, Religion oder Herkunft Anerkennung zu ermöglichen. Ein Referat von Anisha Imhasly, unter anderem Beraterin bei der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, führte uns in das komplexe Thema ein. Die Frage, wie das Kuratorium mit Diversität und damit verbundenen Massnahmen in der Organisation, Kommunikation und Förderung umgeht, wird das Aargauer Kuratorium als Schwerpunkt mit ins nächste Jahr nehmen. Die anschliessende Lesung von Hejerat Anwari veranschaulichte auf bewegende und beeindruckende Art, wie divers unsere Gesellschaft zusammengesetzt ist. Hejerat Anwari flüchtete 2015 als Journalismus-Student aus Kabul und lebt nun in der Schweiz. Das Aargauer Kuratorium förderte ihn mit einem Lektoratsbeitrag für seine Lyrik «Gedichte für Gnade». Meinen Prolog schliesse ich mit einem seiner Gedichte, dessen Inhalt aktueller nicht sein könnte:

«Es ist Dichten für die Hoffnung.
Es ist Dichten für die Freundschaft.
Es ist Dichten gegen die Enttäuschung.
Es ist Dichten gegen den Tod.
Könnt ich nur wie Shahrazade mit Worten einen Mächtigen verzaubern!»

Daniela Berger, Präsidentin des Aargauer Kuratoriums